Irisierende Farben
Colores phantastici
Irisierende Farben
Colores phantastici nannten die Naturforscher des Altertums die Farben von Seifenblasen, Ölfilmen und anderen sehr dünnen Schichten wegen ihrer besonderen Leuchtkraft und Schönheit. Sie unterscheiden sich z.B. von Pigmentfarben oder den Farben von Blumen dadurch, dass sie nicht dem Material innewohnen. Seifenblasen bestehen aus farblosem Wasser, die Flügel von Käfern aus farblosem Chitin. Diese Farben schillern, d.h. sie ändern sich bei Bewegungen. Weil sie mit der Struktur der Gegenstände zusammenhängen, werden sie auch Strukturfarben genannt.
Warum Seifenblasen und andere dünne Schichten so leuchtende Farben hervorbringen, war viele Jahrhunderte lang unerklärlich. Erst im 19. Jahrhundert gelang es dem Naturforscher Thomas Young, diese Farben mit dem von ihm entwickelten Interferenzprinzip zu erklären. In der Folge hat sich das Interferenzprinzip als eins der fruchtbarsten Prinzipien der Physik erwiesen.
Wie die Farben auf dünnen Schichten zustande kommen
Lichtwellen und Interferenz
Viele Lichtphänomene lassen sich verstehen mit der Vorstellung, dass Licht aus Wellen besteht, vergleichbar mit Wasserwellen oder Schallwellen. Wir gehen davon aus, dass die Wellenlänge- das ist der Abstand zweier Wellenberge- sehr klein ist. Sie wird in Milliardstel Metern (Nanometer nm), also Millionstel Millimetern gemessen. Die Wellenlänge des roten Lichts ist fast doppelt so groß wie die des blauen.
400nm
500nm
600nm
400nm 500nm 600nm
Lichtwelle des roten Lichts
Lichtwelle des blauen Lichts
Lichtwelle des roten Lichts Lichtwelle des blauen Lichts
Zwei Lichtwellen gleicher Farbe (und Wellenlänge) können sich überlagern und dabei zu besonders hellem Licht verstärken. Das tritt ein, wenn zwei Wellenberge bzw. Wellentäler immer zusammen liegen und einen besonders hohen Berg (ein besonders tiefes Tal) bilden. Man spricht von konstruktiver Interferenz. Die verstärkte Welle ist gestrichelt gezeichnet.
Wenn die beiden Wellen aber zueinander verschoben sind, können sie sich gegenseitig auslöschen. Das tritt ein, wenn ein Wellenberg immer mit einem Wellental zusammentrifft. (Destruktive Interferenz)
Interferenz an dünnen Schichten
Trifft Licht einer Farbe auf einen dünne durchsichtige Schicht- z.B. die Wand einer Seifenblase – so wird es an der Vorderseite und an der Rückseite reflektiert. Die an der Rückseite reflektierte Welle hat einen längeren Weg als die an der Vorderseite reflektierte, weil sie hin und zurück durch die Schicht laufen muss. Dadurch werden die beiden Wellen gegeneinander verschoben.Wie weit sie verschoben sind verschoben sind, hängt von der Dicke der Schicht ab. Je nach Dicke der Schicht kann es zu Verstärkung der Farbe durch konstruktive Interferenz oder zu Auslöschung durch destruktive Interferenz der betrachteten Farbe kommen.
Sonnenlicht oder z.B. das Licht einer Halogenlampe enthält alle Regenbogenfarben. Bei einer bestimmten Dicke der Schicht werden einige Farben ausgelöscht, andere verstärkt. Die verstärkten Anteile mischen sich zu dem Farbeindruck, den wir sehen. So kommen- je nach Dicke- die unterschiedlichen Farben des reflektierten Lichts zustande.
Aber auch innerhalb einer Seifenblase gibt es unterschiedliche Farben. Das Licht aus der Mitte wird fast senkrecht zum Auge reflektiert. Es hat einen kurzen Weg durch die Wand. Das Licht vom Rand durchdringt die Seifenblase sehr schräg. Es legt in der Wand einen längeren Weg zurück. Die Wellen werden stärker verschoben . Dadurch kommen die unterschiedlichen Farben von Mitte und Rand zustande. Man spricht von Interferenz gleicher Neigung.
Der Ölfilm auf der Wasseroberfläche wirkt wie ein doppelter Spiegel. Er reflektiert die auftreffenden Licht Wellen an seiner Ober- und seiner Unterseite. Einige Farben des Sonnenlichts werden durch Interferenz verstärkt, andere ausgelöscht. Die unterschiedlichen Farben kommen durch die unterschiedliche Dicke der Ölschicht zustande.
Auch die Schuppen eines Herings sind sehr dünne durchsichtige Lamellen. Die Farben entstehen durch Interferenz.
Die Muschelschale hat an ihrer Oberfläche sehr dünne durchsichtige Schichten. Wenn man sie bewegt, ändern sich die Farben. Dieser Effekt kommt durch Interferenz gleicher Neigung zustande.
Dieser Prachtkäfer schillert je nach Blickrichtung in verschiedenen Farben. Aus welcher Richtung der Beobachter auch blickt, die goldene Fläche ist ihm immer zugewendet (Interferenz gleicher Neigung).
Auch der Flügel einer Stubenfliege schillert in Interferenzfarben.
Diese beiden Bilder zeigen Blicke in eine vertikal angeordnete Seifenlamelle.
Ein geschwärztes Marmeladeglas wurde in Seifenwasser getaucht und hingelegt. Über der Öffnung bildete sich eine Seifenlamelle, Das Wasser sank allmählich nach unten. Die Schicht wurde unten dicker und verwirbelte beim Absinken. So kamen Bereiche unterschiedlicher Dicke zustande.
Unser Gehirn neigt dazu, in zufälligen Mustern Gestalten zu sehen (Pareidolie).
Risse im Eis
Diese Bilderserie entstand aus einer Beobachtung. Schlittschuhspuren sind, wenn sie im Sonnenlicht liegen, umkränzt von bunten leuchtenden, wenn auch winzigen Farberscheinungen. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass die Farben durch kleine Risse im Eis verursacht wurden. Solche Risse kann man auch herstellen, indem man mit einem Stein vorsichtig auf die Eisfläche schlägt. Die farbenreichen Flächen sind etwa ein bis 2 cm groß. Sie sind mit bloßem Auge gut erkennbar. Durch die Kamera mit Makroobjektiv gesehen blickt man auf einen Rausch aus Farben und Formen. Die Farben entstehen durch die Reflexion des Sonnenlichtes an der vorderen und der rückwärtigen Grenzfläche Eis-Luft. Die beiden reflektierten Strahlen können sich durch Interferenz auslöschen. Durch die Auslöschung fehlen einige Farben im reflektierten Licht. Die übrigen überlagern sich zu der wahrgenommenen Mischfarbe. Die Bilder zeigen ein bis 2 cm große Ausschnitte. Da die Tiefenschärfe im Makrobereich sehr gering ist, sieht man einige Flächen scharf, andere unscharf.
Anmerkungen zu einigen Bildern
Dickere Risse erzeugen keine Farben, sondern reflektieren das gesamte Licht und erscheinen weiß. Das liegt daran, dass die Lichtwellen des Sonnenlichts nur einige Wellenlängen lang gleichmäßig „gewellt“ sind. Dadurch können bei dickeren Rissen die vorn und hinten reflektierte Welle sich nicht durch Interferenz auslöschen oder verstärken.
Der etwa 3 mm dicke Grashalm verdeutlicht die Größenordnung des Phänomens.
Je nach Beschaffenheit und Temperatur des Eises können glatte oder strukturierte Risse entstehen.
Manchmal erscheinen Bilder im Eis, die unser Gehirn gegenständlich deutet wie diese „Zirkusarena“. Die unregelmäßigen schwarzen Flecken im unteren Bereich sah man nur bei Tauwetter. Sie wurden verursacht durch winzige Tauwassertropfen zwischen den Wänden der Eisrisse. Die Grenzflächen zwischen Eis und Wasser reflektiert kaum Licht. Deshalb erscheinen die Flecken schwarz.
Kleine Luftblasen sehen aus wie Würmer.
Die Luftblasen sind etwa einen Millimeter groß. Im Inneren bildeten sich Reifkristalle.
Ein etwa ein Millimeter großes Stück Eis liegt auf der Oberfläche des zugefrorenen Sees. Darunter Interferenzfarben von Rissen, wegen der geringen Tiefenschärfeunscharf.
Auch hier schwarze Spuren von Tauwasser, das sich in den farbigen Eiskrissen bildet.
Schneckenspuren
In unserem Wintergarten leben nicht nur Pflanzen, sondern auch verschiedene Tiere, unter anderen Spinnen und kleine, etwa 1 cm große Nacktschnecken. Um von Blatt zu Blatt zu gelangen, nehmen die Schnecken oft Abkürzungen über Spinnennetze. Dabei hinterlassen sie auf den Netzen filigrane Schleimspuren. Bei geeigneter Lage reflektieren die Schleimspuren Sonnenlicht ins Auge oder in den Fotoapparat. Ähnlich wie das von Seifenblasen reflektierte Licht schillern diese Schleimspuren in leuchtenden Farben. Diese Farberscheinungen kommen durch Interferenz des an der Vorder- und Rückseite reflektierten Lichts zustande (Näheres in den Anmerkungen zur Bilderserie 1 „Colores phantastici“).
Weil die Leuchterscheinungen sehr hell sind, musste ich die Belichtung des Fotoapparates weit herunterregeln. Dadurch sind die Fäden des Spinnennetzes oft nicht zu sehen.
Die Fotografie dieser Erscheinungen war nicht ganz unkompliziert. An den Originalplätzen zwischen den Blättern war das Fotografieren fast unmöglich, weil die Kamera nicht so positioniert werden konnte, dass das reflektierte Licht in die Kamera fiel. Dieses Problem konnte ich lösen, indem ich in Yoghurt-Deckel ca. 3 x 3 cm große Öffnungen schnitt, diese am Rand mit doppelseitigem Klebeband versah und diesen Deckel so gegen ein Spinnennetz drückte, dass es sich in der Öffnung aufspannte. Jetzt musste ich eine der winzigen Schnecken noch dazu bringen, über dieses Netz zu kriechen. Das klingt schwieriger als es ist. Schnecken haben die Tendenz, immer nach oben zu kriechen. Wenn ich also eine Schnecke auf den Rand des Deckels setze und den Deckel senkrecht hielt, kroch die Schnecke, wenn ich Glück hatte, über das Netz und hinterließ eine schillernde Schleimspur. Dieses Präparat konnte ich dann an einem Stativ befestigen und geeignet vor der Kamera positionieren. Aber auch das erwies sich als schwierig, weil die Einstellung der Kamera wegen der geringen Tiefenschärfe im Makrobereich nicht einfach war und eine gewisse Zeit beanspruchte. Aber schon in einer Minute war die Sonne so viel weiter gewandert, dass das reflektierte Licht nicht mehr in die Kamera fiel. So war ich mit diesen Fotos viele spannende Stunden beschäftigt.
Anmerkungen zu den Bildern
Die Spinnenfäden sind wegen der Unterbelichtung nur schemenhaft oder gar nicht zu sehen. Die Fäden haben einzelne Verdickungen, die auch farbig schillern, wohl auch durch Interferenz des an der Vorder- und Rückseite reflektierten Lichts.
Wenn die Schleimspur eine Öffnung hat, wird diese durch die Fäden vergrößert und in eine runde Form gezogen.